Pfarrei Sankt Anna Braunfels
Katholische Kirche in der mittelhessischen Diaspora
Die Pfarrei St. Anna Braunfels, das sind heute 42 Orte gelegen in der mittelhessischen Region, um die Stadt Wetzlar herum. Eine Pfarrei, an der sich exemplarisch zeigen ließe, was die große Kirchen- und Weltgeschichte im Kleinen bedeuten kann (s. u.).
Eine Pfarrei ist nach Kanon 515 des kirchlichen Rechts (CIC) zunächst einmal "eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen". Es sind also die Gläubigen, die eine Pfarrei prägen und ausmachen: die Glaubenserfahrungen der Familien, die landsmannschaftlichen Prägungen, die Seelsorger mit ihrem je eigenen Charisma.
Auf dieser Seite soll die Pfarrei in ihrem Werden und Sein kurz vorgestellt werden.
Katholisch leben
Was uns und unsere Pfarrei ausmacht
Katholische Kirche in Mittelhessen, das heißt: Wir sind eine kleine Schar - aber das heißt ja nicht, dass wir nicht auf unsere Art und Weise Sauerteig für die Gesellschaft und die Gesamtkirche sein können.
Und: Wir sind über einen großen Raum verteilt - grob gemessen und noch grober geschätzt 350 Quadratkilometer. Ganze acht Kirchen verteilen sich über diesen großen Raum. Aber an jeder gibt es eine Gemeinde, die für etwas steht - und die Teil des Gottesvolkes ist. Das bedeutet Einheit und Verschiedenheit zugleich. Es macht katholische Kirche in der Diaspora (von griech. "zerstreuen") aus.
Porta patet - cor magis: Die Tür ist offen, das Herz weit mehr: Wir freuen uns immer, wenn unsere kleine Schar bereichert wird. Vielleicht ja genau durch Sie. Durch Dich.
Herzliche Einladung!
Pfarrstatistik
Zahlen und Fakten
Katholiken: rd. 9700
Anteil an der Gesamtbevölkerung: etwa 12%
Katholische Kirchen und Kapellen: 8
Pfarrheime und -säle: 7
Ortschaften: 42
Kindergärten in kath. Trägerschaft: 1
Geistliche: 5
PastoralreferentInnen/GemeindereferentInnen: 5
Sekretärinnen: 5
Weitere Beschäftigte (exkl. Kindergarten): 33
Ministranten: rd 65
Eine kleine Pfarrgeschichte
Was große Geschichte im Kleinen bedeutet
Eine vollumfängliche Pfarrgeschichte unserer Pfarrei in ihrer heutigen Gestalt stellt eine erhebliche Schwierigkeit dar, denn die Pfarrei ist heute so groß wie ein Landkreis, sie umfasst also sehr viele unterschiedliche Orte mit ihrer je eigenen Geschichte. Dies zusammenzutragen, zu sortieren und darzustellen wäre ein Projekt, an das an Historiker Jahre verschenken könnte. Diese Möglichkeiten bieten sich uns leider nicht - es soll aber zumindest ein kurzer Abriss der Geschichte hier erfolgen. Geschichte macht Mensch und Struktur fassbar - so soll es auch hier sein.
Wie eingangs schon erwähnt, ist unsere Pfarrei ein gutes Beispiel dafür, was große Kirchen- und Weltgeschichte im Kleinen bedeutet. Geprägt ist das Land in religiöser Hinsicht durch die Reformation und die Befugnis der Landesherren, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen, aber auch durch die Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die zur Ansiedlung vieler Katholiken mitten in einer durch und durch protestanischen Gegend geführt hat.
Braunfelser Urgeschichte
Die Pfarrei St. Anna ist - mit Ausnahme der näher an Gießen gelegenen Teile wie Hüttenberger und Langgönser Ortsteile von der Zugehörigkeit zum Solmser Land geprägt, also dem früheren Herrschaftsbereich des Grafen von Solms, dessen Name nicht nur Bestandteil vieler Ortsnamen (Solms-Burgsolms, Waldsolms, W-Kraftsolms) ist, sondern im Braunfelser Schloss auch eine weithin sichtbare Manifestation findet.
Die überlieferte Ersterwähnung des castellum Bruninvels geschah durch eine Urkunde aus dem Jahr 1246. Der älteste Ortsteil ist vermutlich das Viertel um die heutige Friedhofskirche St. Georgen. Sie war bis zur Einführung der Reformation in Braunfels Gemeindekirche und gehörte zum Kirchspiel Altenkirchen.
Im Hüttenberger Gebiet war die Situation etwas unübersichtlicher: Eine Orte gehörten zum Erzbistum Trier, einige zum Erzbistum Mainz, davon waren wiederum einige im Eigentum des reichsunmittelbaren Klosters Fulda befindlich. Mit der Reformation erlosch die territoriale Herrschaft der Erzbischöfe und Äbte in diesem Gebiet und ging an evangelisch gewordene Landesherren über.
Der Ursprung der Diasporasituation
Seit 1384 residierten die Grafen von Solms dauerhaft auf der Burg Braunfels - allerdings nicht ganz freiwillig, sondern aufgrund der Zerstörung ihrer Stammburg in Burgsolms durch den Wetterauer Städtebund. Philipp von Solms führte 1550 als Landesherr die "neue Lehre", also die Reformation, in Braunfels ein. Sein Sohn wechselte 1582 von der lutherischen zur reformierten Lehre über. Über Jahrhunderte gab es praktisch kein katholisches Leben in Braunfels, Solms, Waldsolms, Ulmtal und Umgebung - mit Ausnahme allerdings des bei Solms-Oberbiel über der Lahn thronenden Klosters Altenberg. Andere Gebiete der heutigen Pfarrei, etwa das Hüttenberger Land, unterstanden dem Landgrafen von Hessen, in dessen Territorium die Reformation ebenfalls verpflichtet eingeführt worden war. Hier liegen die historischen Gründe für die Diasporasituation der Katholiken heute.
Katholiken gab es in diesen Gebieten danach nur noch vereinzelt. Im 19. Jahrhundert kam Braunfels nach dem Wiener Kongress unter preussische Oberhoheit. 1865 soll es in der Stadt 66 Katholiken gegeben haben - bei etwa 1600 Einwohnern. Seelsorglich betreut werden sie von Wetzlar aus, kirchlich gehören sie zum Bistum Trier. Da die Zahl der Katholiken langsam stieg, wurde schließlich der Bau einer Kirche erwogen und in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts schließlich auch beschlossen. 1890 wurde die erste St. Anna-Kirche feierlich benediziert. Sie bildete eine Filialkirche von Wetzlar und war bis nach dem zweiten Weltkrieg die einzige katholische Kirche im ganzen Gebiet der heutigen Pfarrei.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Das Ende des Zweiten Weltkriegs löste eine riesige Flüchtlingswelle aus den damaligen deutschen Ostgebieten aus. Hinzu kamen in den Folgejahren gezielte Vertreibungen Deutscher oder Deutschstämmiger aus den nunmehr polnischen, tschechischen und ungarischen Gebieten. Bis zu zehn Millionen Menschen kamen so in das Gebiet der späteren Bundesrepublik. Geschichte im großen, die sich auf dem Gebiet unserer Pfarrei im Kleinen auswirkte: In das fast vollständig protestantische Gebiet kamen plötzlich Katholiken aus Oberschlesien, aus dem Eger- und Sudetenland, aus Mähren und aus Ungarn.
Plötzlich gab es in Braunfels, Solms, Schöffengrund oder im Kleebachtal eine stattliche Anzahl von Katholiken, die seelsorgliche Betreuung wünschten. Das funktionierte, weil mit den Vertriebenen natürlich auch die Geistlichen mitkamen, die hier dann eingesetzt werden konnten.
Das Entstehen einer neuen kirchlichen Struktur
In Braunfels war seit 1945 wieder ständig ein Wetzlarer Kaplan vor Ort, der auch im Pfarrhaus wohnte. Das war der am 23. November 1911 in Krümmel/Uww. geborene Josef Lücker. In den umliegenden Orten übernahmen "Flüchtlingspfarrer": Pfarrer Neumann in Biskirchen (dann Leun), Pfarrer Tippelt in Schöffengrund-Schwalbach, Pfarrer Göbel in Oberkleen.
Braunfels wurde 1948 Pfarrvikarie. Dazu gehörten Braunfels selbst (mit Bonbaden und Philippstein) und Solms mit den Ortsteilen Oberbiel, Niederbiel, Albshausen. Die Gründungen von Leun (mit dem Ulmtal), Schöffengrund-Schwalbach, Oberkleen und Hüttenberg erfolgten in den Jahren darauf. Die Seelsorge in Waldsolms-Brandoberndorf wurde zunächst von Grävenwiesbach aus organisiert, später gehörte das Gebiet zu Schöffengrund-Schwalbach.
Kirchbauten
Im Regelfall galt für das Gebiet der heutigen Pfarrei Sankt Anna: Die Pfarrei war vor dem Kirchbau da. Es gab vier Pfarreien bzw. Pfarrvikarien (dabei handelt es sich um eine Vorstufe zur Pfarrei), aber zunächst weiterhin nur in Braunfels eine - nun allerdings viel zu kleine - Kirche. Die Gottesdienste fanden in Hallen, Wirtshäusern oder einfach unter freiem Himmel statt.
Erst in den 50er Jahren, zehn Jahre nach der Ankunft der Vertriebenen begann man mit dem Bau von Kirchen, die dann feierlich geweiht wurden: 1950 in Leun, Bonbaden 1955, Burgsolms 1956, Schwalbach 1956, Hüttenberg-Hochelheim 1957, die neue Kirche in Braunfels 1959, Oberkleen 1960 und Brandoberndorf 1961.
Veränderungen
Einige der in der Nachkriegszeit gegründeten Pfarrvikarien wurden wie beispielsweise Oberkleen schon nach dem Abschied des ersten Pfarrers nicht wiederbesetzt. Demografischer Wandel und Personalnot führte spätestens in den 90er Jahren zu stärkeren Kooperationen zwischen den Pfarreien. Die offenen Stellen in Braunfels und Leun wurden mit demselben Pfarrer besetzt. Mit der Gründung des Pastoralen Raums Wetzlar Süd am 1. September 2005 wurde diesen Kooperationen ein institutioneller Rahmen gegeben. 2007 fusionierten Oberkleen und Hüttenberg zu einer Pfarrei. Der Pastorale Raum Wetzlar Süd umfasste alle Pfarreien bzw Pfarrvikarien, die seit dem 1. Januar 2014 schließlich die neue Pfarrei St. Anna Braunfels bilden.
Gründungsvereinbarung
Anlässlich der Gründung der Pfarrei St. Anna Braunfels haben die Gremien der Pfarrei eine Vereinbarung erarbeitet, wie sie sich die Arbeit in der Pfarrei künftig vorstellen: